Was kann ich mir bei Schmerzen Gutes tun?

Ein Erfahrungsbericht mit Anleitung von Lina

“Schmerzpatienten gehen oft durch Extreme: Entweder sie pushen durch den Schmerz durch, was zu einer totalen Erschöpfung führt, oder sie machen beim geringsten Anzeichen von Schmerz gar nichts mehr mit der Folge, dass man die Schmerzen immer früher wahrnimmt und sich immer mehr von Aktivitäten zurückzieht.” (Liel 2021: 113)

Viele von Endometriose betroffene Menschen kennen das. Ich habe beide Extreme erlebt, noch bevor Adenomyose und Endometriose bei mir diagnostiziert und behandelt wurden. Erst wollte ich sportlich mehr machen als möglich und als sich die Endo und Schmerzen weiter verschlechterten, kehrte es ins Gegenteil.

Ich fragte mich, was kann ich mir selbst noch kleines Gutes tun, wenn es mir echt dreckig geht? Und wie kann ich einschätzen, was noch möglich ist? Inspiriert von einer Methode aus der Verhaltenstherapie, beschrieben in Martinas Liels Buch “Endometriose und Psyche”, stellte ich meine eigene Liste auf, was auf welcher Schmerzstufe für mich noch möglich ist.

Das schaffte ich in vier Schritten: Ein Schmerztagebuch schreiben, eine Liste für mich angenehme Aktivitäten verfassen, tägliche Self-Care Routinen einführen und schließlich eine Ausweitung der Aktivitäten mit Anpassung an die Schmerzstufen.

Ich begann also damit, ein Schmerztagebuch zu führen. Eine hilfreiche Vorlage stellt die Endometriose Vereinigung e.V. bereit. Diese ist in einer 10-stufigen Skala aufgebaut. Alternativ ist die Endo App sehr hilfreich. Auch andere Symptome wie z.B. Magen-Darmprobleme kann ich damit tracken und zudem das Schmerzlevel mit meiner Aktivität vergleichen. Zudem lerne ich einiges an Wissen und Übungen dazu. Seitdem ich eine Verdachtsdiagnose habe, bekomme ich die App auf Rezept verschrieben. Das können übrigens nicht nur Ärzt:innen, sondern auch Psychotherapeut:innen ausfüllen.

Neben dem Schmerztagebuch schreiben habe ich ruhige Aktivitäten gesammelt, die mir gut tun, wie zum Beispiel malen, Yoga oder spazieren gehen. Einige davon habe ich in meine tägliche oder wöchentliche Routine eingebaut, mit zunächst kleinen Zielen wie fünf bis zehn Minuten am Tag.

Einige Aktivitäten, die zwar wenig Bewegung, aber viel Konzentration abverlangten wie beim Lesen, strengten mich nach kurzer Zeit sehr an. Also versuchte ich, dem einfach ein paar Minuten nachzugehen, so wie es mir gerade möglich war. An manchen Tagen sind es kleine Dinge, wie einfach im Garten in der Sonne sitzen und dabei eine entspannende Musik hören. Mehr ist vielleicht nicht drin, aber ich habe etwas für mich getan.

Erst an diesem Punkt habe ich das Buch von Martina Liel gelesen. Alles, was ich bis dahin bereits getan hatte, war eine super Vorbereitung, um wieder mehr Aktivität zu erlangen. Mit der Zeit konnte ich zunehmend mehr Aktivitäten hinzufügen, und mir fielen stetig neue ein. Damit habe ich mich an guten Tagen beschäftigt, sodass ich einen Plan für schlechte Tage hatte.

Ich setzte mir auch Ziele für mehr Bewegung. Bei leichten Schmerzen tut mir das sehr gut. Wenn die Schmerzen für mich mittelstark sind, ist es ein stetiges Ausprobieren, wie viel okay ist. Das klappt nicht immer. Gerade nach einem Schub ist es für mich schwer, wieder in die Gänge zu kommen. Ich bleibe jedoch dran.

Zu Beginn habe ich mir kurze Wege in der Umgebung gesucht, mit der Zeit konnte ich immer längere Strecken laufen. Als zudem meine Behandlung mit einer Kombinationspille anschlug, hatte ich mit der Zeit weniger Schmerzen. Nach zwei Monaten konnte ich wieder mit leichtem Sport anfangen. Das gab mir wiederum mehr mentale Energie.

Auch mit Schmerzen ist für mich manchmal mehr möglich, als ich anfangs gedacht habe. Ich lege dann mehr Pausen ein oder gehe der Aktivität kürzer nach. Zudem kommt es auf die Bewegungsart an. (Acro) Yoga und Spazieren gehen bei mir oft besser als z.B., Radfahren oder Klettern. So konnte ich allmählich die Aktivitäten an die Schmerzstufen anpassen.

Schließlich habe ich die gesammelten Aktivitäten in einer Tabelle zehn Schmerzstufen gegenübergestellt. In der untenstehenden Tabelle habe ich meine eigenen Symptome (kursiv gedruckt) hinzugefügt. Das kann für dich abweichen, z.B. können andere Symptome auf einer Stufe sein, eine andere Aktivität ist machbar, es kann nötig sein, dich früher oder später mehr auszuruhen.

Das hier ist eine Anregung für dich, dir ein paar Minuten Zeit zu nehmen und zu überlegen, welche Aktivitäten bereiten dir Freude? Und was kannst du auch machen, wenn die Krämpfe wieder kicken oder du anderweitig Schmerzen hast?

Schmerzstufe Aktivität
0 schmerzfrei alles
1 gelegentlich kleinere Stiche alles, Sport
2 gelegentlich stärkeres Stechen alles, Yoga/dehnen und TENS helfen vor Schmerzmitteln
3 störend, milde Schmerzmittel besiegen den Schmerz

bücken etwas unangenehm

Autofahren, lange Spaziergänge, Sport 2 Stunden, Yoga hilft
4 mittlere Schmerzen

ignorieren möglich wenn stark involviert/ Ablenkung, milde Schmerzmittel besiegen den Schmerz für 3-4 Stunden, Schmerz noch störend

lange Sitzen und bücken schwierig

mittlere Spaziergänge 30 min- 1 Std, moderat Sport wie etwas Radfahren, (Acro)Yoga (je nach Übung mit viel Pausen)
5 Ignorieren der Schmerzen nicht länger als 30 Min. möglich, Schmerzverringerung für 3-4 Stunden

bücken/heben schmerzhaft, unkonzentriert, soziales Leben noch möglich aber schwer

Lesen, arbeiten mit erhöhtem Aufwand, kurze Spaziergänge, telefonieren, einfache Spiele, Kochen, in der Sonne sitzen
6 ignorieren der Schmerzen nicht möglich, stärkere Schmerzmittel verringern den Schmerz.

Konzentration fällt sehr schwer, Schlaf wenig erholsam, etwas Schwindel/ übel

Malen/Zeichnen, Hörbuch hören, Fernsehen (Liste mit Lieblingsfilmen/Serien bereithalten), Lesen bis 30 min, 5 min dehnen, ggf. einfaches kochen, in der Sonne liegen
7 starke Schmerzen

stärkste Schmerzmittel besiegen Schmerz.

kaum Konzentration, Schlafstörungen

(nachts aufwachen, erwachen mit Schmerz), starker Schwindel & ggf. Übelkeit, drehen im Bett schmerzhaft, Reden verlangsamt

Fernsehen (ruhige Naturdokus, Lustiges), Meditation/Traumreise, Musik (angenehme Playlist für Schmerztage), kuscheln
8 stärkste Schmerzmittel verringern Schmerz für 3-4 Stunden

Konversation schwer, Schlafen kaum möglich, Hilfe beim Laufen nötig, sehr starker Schwindel & Übelkeit, Würgen/  (kurz vor) Erbrechen, Ohnmacht nahe/ tanzende Flecken vor Augen

Musik hören, Hand halten
9 nahe am Delirium, unfähig zu sprechen, unkontrolliertes Schreien/Stöhnen

nach OP erlebt 

nichts
10 Bewusstlosigkeit/Ohnmacht nichts

Angelehnt an Liel, Martina 2021. Endometriose und Psyche. S.113

 

Hilfreiche Links:

Endo App: https://endometriose.app/auf-rezept/

Schmerztagebuch der Endometriose-Vereinigung e.V.: https://www.endometriose-vereinigung.de/files/endometriose/infomaterial/Schmerztagebuch.pdf

 

Text von Lina 

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